Sonntag, 14. Oktober 2007

Prix Europa 1

Heute: Tag 1 des Prix Europa in Berlin. (Eigentlich hat das Festival ja schon gestern Abend angefangen, die eigentliche Präsentation der Radio-Features, Hörstücke, TV-Dokus etc. hat aber heute, um 9.00 Uhr, begonnen.)

Ich hab mir natürlich nur die Radio-Features angehört. (Für etwas anderes wäre auch nicht Zeit gewesen, so dicht ist das Programm.)

Sechs Radio-Features waren es, die heute zu hören waren:

Paths to diverse Sound Forms... (Slowenien)
Ein Feature über einen Ton-Techniker.

Die Ton-TechnikerInnen im Publikum waren begeistert, einige Diskutanten haben sich aber gefragt, ob das Thema auch für Nicht-(Hörfunk-)JournalistInnen interessant sei.

Es wurde auch kritisiert, dass das Feature ein einziges Loblied auf den vorgestellten Ton-Techniker ist, dass die Person des Ton-Technikers ziemlich blass bleibt, also dass man nicht wirklich viel über ihn erfährt, und dass die Form des Features langweilig ist.

Three and the Third (UK)
Eine Archiv-Material- und Musik-Collage.

Ironisch, lustig, britischer Humor, frisch, Tempo, aber vielleicht zu lang und vielleicht zu Werbespot-mäßig.

Total Submission: In Mistress... (Frankreich)
Ein Feature über den Beruf der Domina. Die Protagonistin ist Maitresse Cindy. Auch zwei ihrer Klienten kommen zu Wort. Gegen Ende auch ein lange Szene mit Maitresse Cindy bei der Arbeit mit einem Kunden.

Das Feature hat die DiskutantInnen ziemlich zweigeteilt. Die einen lobten das Feature, weil der Stoff wie gemacht für das Radio ist. Hätte man das ganze im Fernsehen gebracht, wäre es nach drei Minuten langweilig geworden und wäre wahrscheinlich einfach nur platt gewesen.

Was das Feature noch vermocht hat, ist, den HörerInnen eine (für die meisten) fremde Welt zu zeigen.

Kritisiert wurde, dass das Thema zu oberflächlich behandelt wurde, dass Cindy und auch ihre Klienten als Personen nicht greifbar wurden, dass das Feature teilweise sehr "klinisch" war, und dass die Dramaturgie zweigeteilt war - zuerst nur Gespräch mit Cindy und dann am Ende eine sehr lange "Folter"-Szene.

Verdun, EU (Rumänien)
In diesem Feature geht es um den Ort Verdun in Frankreich, wo in einer Schlacht zwischen Deutschen und Franzosen während des 1. Weltkrieges hunderttausende Soldaten sinnlos umgekommen sind, es geht um das Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland, um Freundschaft, um die Kernidee der EU.

Dass die Idee nicht unbedingt schlecht, die Qualität des Features aber nicht Prix-Europa-würdig ist, darüber war man sich bei der Diskussion einig. Lange Erzähler-Monologe, teilweise sehr schlechte Aufnahmequalität, pathetische Mozart-Musik, die wenigen O-Töne viel zu kurz und an der Oberfläche haftend (d.h. die Fragen des Autors waren oberflächlich), die Fragen des Autors waren außerdem suggestiv (eine Diskutantin meinte, man hatte fast das Gefühl, dass der Autor enttäuscht war, dass keiner seiner französischen InterviewpartnerInnen mehr Hassgefühle für die Deutschen hat).

Leben und nichts anderes (Österreich)
Feature über eine Mutter und deren 36-jährige Tochter, die durch das Tsunami-Unglück vor fast zwei Jahren in Thailand umgekommen ist.

Die Dramaturgie des Features war meiner Meinung nach genial. Ich habe das Feature sehr spannend gefunden, denn erst gegen Ende wurde aufgeklärt, wie die Tochter den Tod gefunden hat, und noch ein zweiter spannender Aspekt wurde erst recht spät aufgedeckt.

Das Feature entlockt einem auch zwei, drei Tränen, was gut ist, denn das ist ein Zeichen dafür, dass das Feature berührt. (Kann auch sein, dass die manchmal etwas melodramatische Musik dafür Schuld hatte.)

Eine Regisseurin hätte sich in dem Feature mehr Pausen, mehr "Leerraum" gewünscht. Auch um den Verlust, um das Abwesendsein der Tochter begreiflich zu machen.

Interessant war, dass die Tochter, obwohl sie ja verstorben ist und es auch keine O-Ton-Aufzeichnungen von ihr gibt, trotzdem zu Wort gekommen ist. Die Autorin konstruierte auf der Basis von Gesprächen mit der Mutter und FreundInnen der Tochter Textpassagen, die sie der Tochter "in den Mund legte" und von einer Schauspielerin gesprochen wurden.

Srebrenica: Only they know... (Kroatien)
Ein Feature über das heutige Srebrenica und über den Massenmord im Jugoslawienkrieg. Interessant auch das Phänomen "Nekro-Tourismus" in Srebrenica.

Wurde gelobt von den DiskutantInnen aufgrund seiner "natürlichen Dramaturgie". Und weil das Feature ganz ohne Musik ausgekommen ist - manche Features sind vom Stoff her so mitreißend, dass sie keiner Musik bedürfen.

Was ich hier über die einzelnen Radio-Features steht, sind teilweise Gedanken, die in der anschließenden Diskussion geäußert wurden, und natürlich auch meine Eindrücke.

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